"Dein Fahrrad ist in perfektem Zustand!" Das hätte ich ihr auch sagen können. Genauso fühle ich mich. Seit bald acht Wochen sind Simone und ich erneut auf Fahrradtour. Zu Hause gestartet, Richtung Norden mit zwei Wochen Pausen in Oslo. Von dort aus per Bahn und Fähre nach Bergen an Norwegens Küste. Es rollte gut und gerne in Deutschland, trotz Wind und Regen, nur der Schnee brachte uns zwei Tage zu Fall. Meistens schien aber die Sonne, besonders in Schweden und Norwegen. Aber auch nach über 2'000 Kilometern ist Simone ungewöhnlich still.
Ob das intensive Denken und Fühlen lieber im Gepäck bleibt, wenn das Leben einfach rollt und sonnt? Oder bin nur ich in guter Kondition und sie schweigt sich über ihre aus? Die Muskeln habe sie vorgängig trainiert, aber die Sehnen nicht, erwähnte sie einmal. Ich als ihr Fahrrad "Wanderlust" kann nur sagen: Ölen, bewegen, genügend Luft und – be smart!
Kürzlich regte sie sich zwischen den Fjorden, ich konnte hören, wie sie schnaufte: Wer erfindet solch ineffiziente Hügel und Einschnitte! Unpraktisch sei das, wie so oft bei schönen Dingen. Es fühle sich an, als würde man gezwungen, den Weg doppelt zu fahren. Gut, die Sicht von der anderen Seite mache Sinn. Es gebe ein gutes Gefühl dafür, woher wir kommen und wohin wir gehen.
Bald wurde es wieder still. Das Auf und Ab und Hin und Her "fjordet" auch mich heraus und begeistert zugleich! Wenn ihr die Steigung zu bunt wird, hört sie Podcasts wie Sternstunde Philosophie. Bei der Abfahrt sei dann der Wind die Musik in den Ohren.
Beim Velomechaniker in Trondheim genügte ihr die Bestätigung meiner guten Kondition nicht. Ihre Putzkünste mit der Zahnbürste reichten nicht für tausende Kilometer. Kranz und Kette hätten es verdient, vor der Weiterfahrt professionell gereinigt und geölt zu werden. Auf dem Weg zum Nordkap gebe es nicht mehr viele Sykkelbutikker. Dabei wandte sie sich auch an mich: Ist mir im Fall egal, wenn der denkt, ich sei eine pingelige Schweizerin auf Tour. Nun ja, präventives Putzen schützt auch vor Pech nicht.
Ab und zu wird sie gefragt, ob sie aus Europa kommt. "Ja, aus dem Herzen", lacht sie dann. Je weiter wir nach Norden radeln, je mehr Stockfische in der Seeluft trocknen, desto weniger irritiert sie diese Frage. Die Vorstellung von Festland löst sich zwischen Fjorden, Tunneln, Brücken, Fährverbindungen und Inseln auf. Und seit wir auf den Lofoten sind, scheint Europa weit, weit hinter den Bergen zu verschwinden. Hier fühle sich ein Hiersein nach Dasein an.
Ich selbst ziehe es vor, heute hier und morgen dort zu sein. Am liebsten mit Rückenwind, dann überholen wir locker die gewichtigen Bikes. Sonnige Grüsse, auch wenn es mal regnet!