Simones
Reiseschnipsel

Schaue ich über meine Schulter, was hinter mir, werden die Meter in Länge und Höhe unscharf. Die Strasse verschwindet am Horizont. Was bleibt, ist die Erinnerung, die Wirkung der Landschaft.

Wie es kommt, dass ich mich nach der Needles-Tour im Custer State Park high fühlte? Vielleicht, weil sich das Kraxeln an diesem Tag einfach easy anfühlte. Weil der Atem ständig kurz, aber regelmässig, das Gewicht im Gleichgewicht und das Glücksgefühl mit viel Schweiss von Dauer war.

Als Kind mochte ich schräge Kamine, so wie viele Kinder auch. Dann wurde mir gesagt, dass schräge Kamine falsch wären.

Weiterhin radeln wir. Das letzte Mal berichtete ich aus Idaho. Inzwischen haben wir Montana passiert und fahren weiter und weiter in Wyoming. So weit wir mit der Zeit kommen. Oder solange es Freude macht.

* Hey, unsere Füsse sind trocken! Willst du das Cheminée übernehmen? + Gerne. Vielen Dank.

Ängste packen sich auf Reisen selbst ein, ab zu auch von selbst aus. Meist unbegründet, meist unerwünscht. Gerne wechseln sie ihr Kleid und möchten beachtet werden. Und teile ich Ängste, werden sie weniger und ich gewinne Freiraum und ab und zu das Gefühl von Freiheit.

Es geht uns gut. Gut, die Amerikaner würden «Great!» sagen. Die Stimme erreicht dabei eine Tonlage, die wir bei «Autsch!» nutzen. Simone hat sich daran gewöhnt. Kleinwenig an das Grosse, Grossartige und auch an das Andere hier. Soweit dies möglich oder nötig ist. Ab und zu murmelt sie noch: «Hallo, geht's noch grösser?».

Ab und zu treffe ich andere Bikepacker auf meinen Routen. Bis jetzt jedoch noch niemand, der auch den Transamerica Bicycle Trail radelt. Die "Warm Showers" Hosts bestätigen, dass ich für sie in diesem Jahr die Erste auf dem TransAM sei. Die Begegnungen mit anderen Bikepacker sind meist kurz, oft informativ und herzhaft.

Nun bin ich seit dem 1. Mai in den USA auf Reisen. Langsam fahre ich mit meinem Fahrrad "Wanderlust" durch das Land. Noch immer warte ich auf das Gefühl, hier angekommen zu sein.

Ab wann ist Erinnerung Erinnerung? Ist es die zeitliche und physische Distanz, die Erlebnisse zu Erinnerungen verändern? Und wann beginnt eine Reise? Wenn ich mir diese vorstelle?

Bewegen sich die Muskeln und damit die Räder, kommt auch das Denken schnell in Fahrt. Gedanken begleiten, kommen und gehen, kehren wieder, bis sie aus-, weiter- oder zu Ende gedacht sind.

Photostory

Aktuell schaukeln wir auf der Fähre von Cherbourg nach Rosslare. Simone auf dem Deck und ich unten im Bauch bei den Trucks. Es riecht auf der ganzen Fähre nach allerlei Tieren. Dafür transportieren sie auch mich. Das mit direkt nach Dublin, klappte am Ende doch nicht.

In den letzten Tagen fuhr ich von Cabourg nach Cherbourg. Mir war nicht bewusst, wie stark prägend und präsent die Landung der westlichen Alliierten in diesem Teil der Normandie noch heute ist.

Von unverschämt toll bis unverschämt "obsi".

Menschen die lesen, verleiten mich, sie zu betrachten. Beim Lesen wirken Menschen wahr.

Im Château de Choloy möchte die neue Gastgeberin auch erfahren, wohin man selbst reist und gibt mir Grüsse nach Astoria mit ins Gepäck.

Ich bin's, das Reisefahrrad von Simone. Im letzten Jahr reisten wir durch Deutschland, die Niederlande, England und abschliessend von Caen bis nach Paris. Als es im Peak District, im Norden von England, nicht mehr wie Butter lief, kam ich zu Wort und durfte von unserem «Velotürli nach Berlin & ein wenig weiter» erzählen. Nun bin ich zurück!