Ich bin's - vorläufig zum dritten und letzten Mal meinerseits. Unsere erste gemeinsame Reiseetappe endet heute, vielleicht auch morgen. Simone meint, dass wir immer Zeit für unverhofftes und spontanes haben.
Gerade verbringt sie ihr Warten mit Essen. Und das in Luxemburg! Da wäre sie noch nie gewesen. Hübsch sei es -wie ä ä biz i dä Schwiiz. Auch ist sie überzeugt, dass warten und essen DIE Kombination sei: halt oft unumgänglich und zugleich lustvoll. Der Ort sei dann meist sekundär. Ihre Antwort überrascht mich nicht. Doch wie wäre es, wenn sie wiedermal ein Buch lesen würde? Sie müsse erst noch das letzte verdauen. Und vom Lesen bleibe man nicht fahrradtüchtig und ein Buch bedeute noch mehr Gewicht. Fahrradtüchtig? Verwechselt sie da wieder was? Ich werde auch nie lesetüchtig sein.
Dass sie theoretisch schon in der Schweiz sein könnte, stört sie nicht. Aber mich! Denn ich reise lieber auf meinen zwei eigenen Rädern. Und nicht auf Fähren, in Zügen, geschweige denn in einem Bus. Für mich sind das unangenehme «Wartezeiten», die mir «ghörig» auf die Glocke gehen. Dabei werde ich oft von anderen Rädern eingequetscht oder irgendwo aufgehängt. Und eng angezurrt im Bauch einer Fähre, muss man seekrank werden.
So tut es mir gerade gut, zu erzählen, wie schusselig Simone auch sein kann und warum wir noch immer nicht in der Schweiz sind. Eigentlich wollte sie den TGV über Strassburg nach Basel nehmen. Sie meint, das wäre bequemer oder sanfter für mich. Sanfter? Ha! Sie ist nur zu faul oder unfähig, meine Extremitäten zu demontieren. Sie meint, dass sie dies erst im Trockenen proben wolle. Dann könnten wir mit dem Lyria von Zürich nach Paris oder umgekehrt, oder sogar hin- und zurückfahren. Nur über meine zwei Räder!
So. Und wie man beim Ticketbuchen Strassburg mit Luxemburg verwechseln kann, ist nur mit desolaten Geografiekenntnissen oder anderen Absenzen zu erklären. Und warum kontrolliert man erst kurz vor der Abfahrt sein Ticket? Dazu meint sie lapidar, niemand ist unfehlbar. Mindestens dazu könne man im Leben souverän stehen. Dass man sich über die Fehler anderer ärgern oder über diese lästern könne, sei auch normal und «gsund». Was soll ich bei so viel Küchenpsychologie noch sagen, ausser schweigen?
Trotzdem haben wir unsere heutige Busfahrt verdient. Denn der TGV fuhr wegen Bauarbeiten nur bis nach Thionville. Wo immer das ist… Schon im Zug hatte es nur Platz für drei Fahrräder. Im Ersatzbus dann nur noch für eines. So haben die drei «ernsthaft» ausgehandelt, wer die 30km per Velo bis nach Luxemburg fährt. Ein Entscheidungsfaktor war, wer in den letzten Tagen die meisten Kilometer geradelt ist und wer sich nicht mehr auf seinen Hintern verlassen kann. Beim ersten Faktor war ich natürlich beteiligt, beim zweiten natürlich nicht und natürlich haben wir haushoch gewonnen.
Gut, beweisen kann sie unsere geradelten Kilometer der letzten vier Monate auch nicht. Denn sie wollte die Etappen weder addieren, noch sich tracken lassen. Es sei doch viel schöner, erzählen zu können, dass wir vom Thurgau nach Berlin und von da nach da, nach… gefahren wären. Das wären Namen von Städten, Dörfern und Gegenden, wo Menschen lebten und leben. Und diese hätten wir im doppelten Sinne erfahren. Beim ständigen Fokus auf Zahlen würden wir die Welt nur noch zwischen 0 und 1und am Ende die Erde noch als Speicherplatte sehen. Sie wolle ihr Leben auch nicht durchzählen und abspulen.
Ich befürchte aber, dass die Kilometerfrage ab morgen immer wieder kommen wird. Schon auf der Reise schien das die Leute sehr zu interessieren. Ab und zu sagte sie dann lachend oder gelangweilt: Keine Ahnung. Oder: Mehr als 3000 km. Inzwischen: Weit mehr als 3000 km. Dies seit neuestem sogar mit leichtem Stolz auf uns zwei:-) Ich vermute, dabei wird es bleiben.
Es gab Situationen, in denen Leute (Männer) Anstalt machten, fraglos nach ihrem Handy an meinem Lenker zu greifen und engagiert meinten, dies zu eruieren sei ganz einfach. Simone dann mit etwas tieferer Stimme: Zur Information, mein Fahrrad ist cleaner als mein Handy.
Das kann ich zum Glück bestätigen. Gestern meinte sie aber: Nun schwitzen und stauben wir nicht mehr. Geputzt und gewaschen wird zu Hause wieder. Und dann würde ich eine neue, glänzende Kette erhalten!!
So war und ist das mit uns. Ganz unaufgeregt und meist gemütlich;-) Schön wars! Bis zum nächsten Mal, ich freue mich jetzt schon!