Pedalt es, ist mein Velo das «Zuhause». Ein Dach und eine Decke sind dabei. Der schwierigste Moment ist, vom Bettrand auf das Fahrrad zu steigen – der Abschied. Auch wenn die Vorfreude gross ist, auf alles, was über meinen Tellerrand zu sehen ist.
Meine fixen Begleiter sind Zweifel und Zuversicht. Dazu Fragen wie: Sind die Ränder der Länder vielleicht zu weit? Macht es Sinn, diese oder eine andere Richtung zu nehmen?
Habe ich Ziele geklärt, fällt es leichter unterwegs zu sein. Das Vorwärtsrollen beruhigt und gibt Sicht auf das, was ist und kommt. Was hinter der nächsten Ecke steckt, übergebe ich der Neugierde und Zuversicht.
Fahrradfahren ist leise, rollend, ab und zu holprig, mal langsam bis rasant. Es ist ein Rhythmus, der gut tut, der meiner ist. Das Wahrnehmen, das Erleben ist unmittelbar und intensiv. Ich bin nah an Wiesen, Feldern, Wäldern, Seen, Flüssen, Bergen, Dörfern und Städten. Die Übergänge, die Veränderungen und das Gewöhnliche erschliessen mir das fremde Land.
Was mehr lässt mich durch weitere und weite Länder fahren. Ist es die Grösse meiner kleinen, sicheren Heimat? Sicher ist mir der bunte Strauss an Belohnungen, den es zusammen mit vielen Herausforderungen gibt. Der Sattel ist nicht immer ein «Place to be». Dafür reise ich hellwach und schlafe müde müd. Rollt es in den Morgen, sind auch die Muskeln, die Freude und Dankbarkeit wieder bereit.
Wenn ich von hier nach da schnaufe, schwitze oder friere, dehnen sich meine Ränder oder zeigen sich meine Grenzen. Lieber denke ich an etwas Überschaubares, das wichtig ist: Essen, Wasser und an einen trockenen Schlafplatz – und wenn nötig, eine helfende Hand. Begegnungen sind einfach, ehrlich und herzlich. Velo sei Dank. Viele Menschen sind neugierig auf Fahrradreisende, auf Fremde. Fragen nach und erzählen von sich. Dass sie träumen, eines Tages… Ob ich noch etwas brauche? Eine kleine Frage mit grosser Wirkung, die mich immer wieder überrascht und berührt. Eine Frage, die ich allen wünsche, die etwas benötigen.
Wenn ich mich zu Hause warm denke, vertraue ich, dass die unfertigen Gedanken beim Radeln in Bewegung kommen. Dass die 1’000 Dinge erledigt sind, bevor ich losfahre, auch wenn sie nie weniger werden.
Dafür erledigen mich 1’000 Kilometer nicht. Nur meine Müdigkeit machen Distanzen endlos. Soll es trotzdem weiter gehen, ist es eine Entscheidung, eine Freiheit. Ob mir diese zusteht? Die Welt gehört nicht mir. Wohl gehöre ich zu dieser. Und die Welt gehört zu mir. Wenigstens für eine bestimmte Zeit.
Fahre ich über die Haut der Erde, hoffe ich, wenig Spuren zu hinterlassen. Die Strassen sind wie Ritzen zwischen den Rändern der Länder. Das Hoffnungsvolle ist, dass dieses Netz von Linien Verbindungen sind und nicht an Grenzen enden.
Zurück im Kleinen, denke ich mein Gepäck leichter. Das schwere Schloss, zwei Bücher sind zu viel. Eine Reserve gibt es für die Schläuche. Was sich bewährt hat, bleibt. Was nett sein könnte, ist nicht nötig. Auch vorrätig Mut «andenken» ist nicht leicht. So kümmere ich mich wieder um die 1’000 Dinge – bis ich mich auf mein Velo «Fernweh» alias «Wanderlust» schwinge.
(Foto: Adventure Cycling Association, Missoula, 2023)